
© Tamtam Film/Nikolai von Graevenitz
Ein großes Versprechen
Ein Gespräch mit Hauptdarstellerin Dagmar Manzel über den Film Ein großes Versprechen, Multiple Sklerose, die Nähe zu Kollege und Wallander-Darsteller Rolf Lassgård und die Schauspielerei als ihr Leben
In der DDR war sie ein aufstrebender Bühnen- und Filmstar, spätestens mit Schtonk! kam sie auch im wiedervereinigten Deutschland an: Dagmar Manzel ist gefragt, wenn Figuren Seele brauchen. Im Kinofilm Ein großes Versprechen spielt die 63-Jährige die an Multipler Sklerose erkrankte Juditha, die der Pensionierung ihres Lebenspartners Erik (Rolf Lassgård) mit Ungeduld entgegensieht. Aber der Professor kann nur schwer loslassen und ausgerechnet jetzt macht die Krankheit einen Schub.
Frau Manzel, wollten Sie diese Figur spielen, weil Sie die Frau aus dem Drehbuch kannten oder weil Sie sie gern kennenlernen wollten?
Ich habe das Drehbuch gelesen und mir war sofort klar, dass ich das spielen muss. Die Geschichte hat mich sehr tief berührt. Als ich erfahren habe, dass Regisseurin Wendla Nölle schon mit Rolf Lassgård im Gespräch war, war das sowieso klar. Er ist für mich einer der interessantesten, spannendsten und wunderbarsten Schauspieler überhaupt. Es war für mich ein großes Glück, mit ihm zusammenzuarbeiten.
Können Sie als Vollprofi eine solche Nähe zu jedem Spielpartner herstellen oder hilft es, wenn man sich auch menschlich gut versteht?
Es ist ein unglaublich großes Geschenk, wenn man einem so wunderbaren Schauspieler begegnet. Wir haben uns angesehen, angefangen zu spielen und es war sofort eine solche Intensität, eine solche Nähe und Sympathie da. Das ist natürlich ein doppeltes Geschenk, wenn man mit einem Kollegen zusammenarbeitet, der ein Weltstar ist. Und dazu ist er privat so offenherzig, so freudig und neugierig auf die Partnerin, mit der er zusammen spielt. Wir haben vier Wochen fast jeden Tag miteinander gedreht. Das war eine sehr intensive, wunderbare Zeit – eine meiner schönsten Filmarbeiten, obwohl es mir vom Thema her manchmal sehr nahe ging.
Sind Sie eine Schauspielerin, die sich zur Vorbereitung intensiv mit dem Krankheitsbild ihrer Figur auseinandergesetzt?
Das musste ich nicht, weil einer meiner besten Freunde eine ähnliche Krankheit hatte und ich das über 25 Jahre mitbegleitet habe. Ich habe einfach nur die Augen geschlossen und mich erinnert. Ich hatte alles in mir, das war für mich ganz unmittelbar und nah. Ich wollte die Rolle auch spielen, weil ich so nochmal auf eine andere Weise von diesem wunderbaren Menschen Abschied nehmen konnte.
Ist das Ende eines selbstbestimmten Lebens für Sie auch die ultimative Horrorvorstellung?
Es kommt darauf an, wie und in welchem Verbund man lebt und was man für eine Lebenseinstellung hat. Ich habe Freunde, die mit harten Krankheiten kämpfen und lebensbejahend und froh sind und diese Lebenseinschränkung mit einer positiven Einstellung hinnehmen. Sie versuchen trotzdem, ihr Leben weiterzuführen. Es gibt andere, die daran total verzweifeln und in tiefe Depressionen verfallen. Ich hoffe, dass ich immer genug Kraft, Energie und Optimismus habe, um die Dinge positiv zu sehen und mich dem stellen zu können. Bis jetzt klappt das sehr gut. (lächelt) Ein großes Versprechen ist nicht nur ein trauriger Film über Multiple Sklerose. Für mich ist es auch ein ganz positiver Film. Ein Liebesfilm, der zeigt, wie die beiden, obwohl sie schweren Proben ausgesetzt sind, lernen, mit Bedacht aufeinander Rücksicht zu nehmen und zu kommunizieren. Das Leben der beiden ist ein anderes, aber diese innere, tiefe Beziehung, die sie immer gelebt haben, geht nicht verloren. Im Gegenteil, sie wird gestärkt, weil die beiden begriffen haben, dass sie zusammengehören und dass sie füreinander wichtig bleiben.
Ich fand so stark an diesem Film, dass er einem solche Kraft gibt. Die eigentliche Härte musste ich auch bei meinem Freund erleben: Er war geistig absolut da, aber sein Körper wollte ihm nicht mehr gehorchen. Er musste letztendlich um jede Tasse, jeden Schluck bitten, weil er es selber nicht mehr konnte. Wie geht man mit diesem nicht mehr selbstbestimmt Lebenkönnen um? Wie hält man das aus, ohne in schwere Depressionen zu verfallen? Das war für mich eine wichtige Erkenntnis. Ich konnte auch für mich nachvollziehen, wie es ihm ergangen sein muss. Ich dachte mir: „Mein Gott, wie stark war er, dass er immer noch so eine positive Lebenseinstellung hatte?“ Die hat Juditha auch. Sie nimmt diese Krankheit am Anfang gar nicht an und tut sie als albern ab. Sie muss schmerzhaft begreifen, dass ihr Mann körperlich und häuslich überfordert ist und dass sie ihre persönliche Freiheit erst finden und ihre Liebe retten können, wenn sie sich ihre gegenseitigen Ängste und Wünsche eingestehen und damit umgehen lernen. Das ist für mich eine starke Lebensgeschichte.
Judithas Ehemann, der Professor Erik, kann nach seiner Pensionierung nur schwer loslassen. Auch Schauspieler gehen nur selten in Rente. Christian Schwuchow sagt: „Dagmar spielt jedes Mal um ihr Leben.“ Ist die Schauspielerei Ihr Leben?
Sie hat einen ganz großen Platz in meinem Leben, auf jeden Fall. Ich mache jetzt vorwiegend Musiktheater, ich drehe gar nicht so viel und bin jetzt seit 18 Jahren an der Komischen Oper Berlin. Ich merke schon, dass mich das sehr prägt und dass das auch mein Leben bestimmt. Diesen Spagat zu schaffen, auf der einen Seite intensiv leben zu wollen und auf der anderen Seite diesen Beruf mit voller Leidenschaft auszuüben, ist manchmal schwierig. Aber das Wichtigste in meinem Leben sind natürlich meine Familie, meine Kinder und meine Enkelkinder. Da gibt es zweifellos Disbalancen, die Rollen verlangen einem sehr viel ab. Dann muss die Familie auch mal zurückstecken. Und ich natürlich auch, mit dem, was ich noch so für mein Leben möchte. Bei einer Vorbereitung auf eine Opernvorstellung ist der ganze Tag für mich besetzt. Ich halte mich an bestimme Rituale, damit man die Kraft hat, so einen Abend zu stemmen. Ich werde ja nicht jünger. (lacht) Aber dieser Beruf ist meine geistige, seelische und körperliche Herausforderung und Erfüllung. A. Wesche
4 von 5 Sternen
Die 63-jährige Juditha ist an Multipler Sklerose erkrankt und sieht der Pensionierung ihres Lebenspartners Erik mit Ungeduld entgegen. Aber der Uni-Professor kann nur schwer loslassen und ausgerechnet jetzt macht die Krankheit einen Schub. Wird es den Liebenden gelingen, ihre Beziehung durch den Herbst des Lebens zu retten? Großes, intensives Schauspielerkino mit herben und zauberhaften Momenten.
Ein großes Versprechen, Drama, D 2020, FSK tba, Kinostart: 02.06.