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Dirk Sadrinna
Dirk Sadrinna betreibt mit Frau Paul und Herrmanns zwei Modegeschäfte in der Innenstadt
Dirk, wie hast du die vergangenen Wochen erlebt? War dir eher langweilig oder hattest du alle Hände voll zu tun?
Langweilig ist es in dieser Zeit nicht geworden. Im Backoffice gab es weiterhin viel zu tun. So standen ab Januar wieder Ordertermine für die Herbst-Winter-Kollektion 2021/2022 in Berlin und Düsseldorf an.
Was war besonders schwer in dieser Zeit?
Als Unternehmer fällt es mir schwer, bestimmte Entscheidungen der Politik zu akzeptieren. Auf der einen Seite haben Politiker für meine Geschäfte Frau Paul Damenmode und Herrmanns – Männermode Zwangsschließungen erlassen, obwohl diese laut RKI keine Infektionsorte sind. Auf der anderen Seite beschließen Politiker Entschädigungen, mit denen noch nicht einmal alle unternehmerischen Kosten gedeckt werden können. Dadurch kommt man in die Situation, keine andere Alternative zu haben, als die sofortige Öffnung zu fordern.
Wie gut lief der Onlinehandel?
Online ist seit ein paar Jahren ein begleitender Vertriebskanal für uns. Für Kunden aus Potsdam und im Umkreis von 25 Kilometern bieten wir eine kostenfreie Lieferung und Retoure an. Das wird gut angenommen. Unser Hauptgeschäft ist jedoch stationär und das ist auch gut so. Wir lieben den persönlichen Kontakt und die vielen tollen Gespräche mit unseren Kunden. Begeistert suchen wir bei unseren Lieferanten die Modelle für die kommende Saison aus und sind immer wieder aufs Neue aufgeregt, wie sie bei unseren Kunden ankommen. Wir sehen jeden Tag, dass unsere Kunden auf das individuelle Shoppingerlebnis im Geschäft Wert legen. Mit Leib und Seele bieten wir unsere Fachberatung an, wenn sie gewünscht ist. Stationärer Handel macht einfach Spaß.
Wie findest du es, dass die Gastronomie 75 Prozent des Vorjahresumsatzes bekommen hat, Bekleidungsgeschäfte allerdings nicht?
Ich kenne das Programm der Gastronomie nicht im Detail. Es würde mich sehr freuen und ich hoffe, dass dieses Programm den Gastronomen in diesen zwei Monaten geholfen hat. Eure Frage macht aber etwas anderes deutlich: Seitens der Politik gibt es eine ungleiche Behandlung. Warum hat man nicht einfach ein Entschädigungsprogramm für alle Unternehmen aufgesetzt? Und zwar eines, welches tatsächlich fair entschädigt! Ich als Familienunternehmen habe Soforthilfe und Überbrückungshilfe 3 beantragt, werde aber trotzdem mit einem sechsstelligen Schaden aus dieser Pandemie herausgehen. Nicht weil ich als Unternehmer falsch gehandelt habe, sondern weil die Politik das so beschlossen hat. Ich vermisse ganz klar die Motivation der Politik, den finanziellen Schaden welcher den betroffenen Unternehmen und Arbeitnehmern in Kurzarbeit durch diese Zwangsschließung unverschuldet entsteht, deutlich in Richtung Null zu minimieren (= kein finanzieller Schaden). Die Politiker müssen die Kosten dieser Pandemie auf den Schultern aller gleichermaßen verteilen. Denn es handelt sich nicht um die Pandemie der stationären Modegeschäfte, Gastronomen oder Hotels, etc.! Sofern tatsächlich notwendig, muss für die Refinanzierung der Solidaritätszuschlag aktiviert werden, an dem ich mich dann natürlich ebenso beteiligen möchte.
Kannst du auch etwas Positives aus dieser Zeit ziehen?
Insgesamt betreibe ich vier Modegeschäfte und ich kann der Pandemie nichts Positives abgewinnen. Ich hoffe, dass meine Mitarbeiter etwas Positives mitnehmen. Denn sie konnten sich auch in dieser Extremsituation auf mich verlassen. Kein Mitarbeiter wurde entlassen, das Kurzarbeitergeld wurde bei allen auf 100 Prozent aufgestockt. Warum? Weil auch ich mich auf meine Mitarbeiter jederzeit verlassen kann und ich mit allen demnächst wieder gemeinsam durchstarten und Gas geben möchte! K. Jung