© X Verleih AG - Peter Hartwig
„Ja, genau so war es.“ – Ein Gespräch mit Schauspielerin Ursula Werner über die DDR, die Wende und die Bedeutung von Geld anlässlich ihrer Rolle im Film Zwei zu Eins.
Mit ihren Rollen in DEFA-Klassikern wie „Ein irrer Duft von frischem Heu“, „Insel der Schwäne“ und „Bürgschaft für ein Jahr“ avancierte Ursula Werner zu einer Ikone des DDR-Kinos. Nach der Wende drehte die Berlinerin mit Ausnahmeregisseuren wie Andreas Dresen („Wolke 9“) oder Caroline Link („Der Junge muss an die frische Luft“). Nun ist die 80-Jährige in der auf wahren Begebenheiten beruhenden Komödie „Zwei zu Eins“ zu erleben. Sie ist Teil einer findigen Clique, die sich der entwerteten und vermeintlich sicher eingelagerten DDR-Mark-Noten bemächtigt und sie in harte D-Mark transferiert.
Frau Werner, wie kann ein:e Filmemacher:in Sie heutzutage dazu überreden, in seinem:ihrem Film mitzuspielen?
Das Erste, was ich erfahre, ist der Inhalt des Drehbuchs. Wenn ich den Regisseur noch nicht kenne, muss ich mich daran orientieren, was für ein Stoff behandelt wird. Wenn ich außerdem eine Meinung zwecks meiner darstellerischen Haltung äußern darf, mache ich gerne mit. Und wenn es mich nicht interessiert oder mir nicht gefällt, dann sage ich nein.
Wie haben Sie die Zeit erlebt, in der der Film spielt?
Lebendig, würde ich mal sagen! (lacht) Das ist meine Zeit. Was mich natürlich auch dazu bewogen hat, mich mit diesem Stoff zu beschäftigen und kritisch darauf zu schauen. Ist das, was da erzählt wird, überhaupt wahr? Hat das eine Übereinstimmung mit der Wahrheit, die ich kenne? Wenn es etwas zu kritisieren gibt, sage ich es. Auf der anderen Seite bin ich froh, wenn etwas in einer Form erzählt wird, zu der ich sagen kann: „Ja, genau so war es!“
Alle Hauptdarsteller:innen des Films sind mehr oder weniger DDR-sozialisiert. Hat man als Ensemble deshalb eine besondere gemeinsame Basis?
Ja, wir sitzen im selben Boot. Wir sind dazu angehalten, diese Figuren, mit denen wir besetzt wurden und zu denen wir Ja gesagt haben, so wahrheitsgemäß und wahrhaftig zu verkörpern wie möglich. Gerade dieses Gemisch und das Thema um die ehemalige DDR waren natürlich auch ein Anlass für einen lebendigen Austausch von Erfahrungen. Da gab es Jung und Alt – Alt weniger als Jung – und dadurch eine interessante Zusammenarbeit.
Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit mit Sandra Hüller?
Wunderbar. Sie ist eine großartige Schauspielerin. Ich habe sie schon immer bewundert. Ich habe sie in München am Theater kennengelernt und auf der Bühne gesehen. Sie ist aber auch eine wunderbare Filmschauspielerin. Es war ein sehr schönes Miteinanderarbeiten. Ich wünschte mir wieder eine Zusammenarbeit mit ihr.
Wissen Sie noch, was Sie sich von Ihrem Begrüßungsgeld geleistet haben?
Ja. Man bekam 100 D-Mark geschenkt. Davon habe ich mir einen Videorekorder gekauft. Für 99 D-Mark bekam man einen Videorekorder, der im Osten ungefähr 2400 Mark kostete, wenn man ihn überhaupt bekam. Diese Geräte, Videorekorder oder auch Haushaltsgeräte und Fernseher, waren im Osten sehr teuer. Da lagen Akzisen drauf – das, was der Staat bei Waren einkassierte, die nicht lebensnotwendig gewesen sind. Lebensnotwendig waren Lebensmittel, die Miete, Bildungsmöglichkeiten für Arbeiter, Kinder, Bauern. Das war das Wichtigste. Wenn man dann einen so teuren Apparat kaufen konnte – für geschenktes Geld – kam einem das gerade recht. Der Westen hat auch da Reibach gemacht, indem er die Geräte alle los wurde. (lacht) Eine Mark zusätzlich hatte ich noch von meiner Tante. Davon habe ich meinem Sohn ein Matchbox-Auto gekauft.
Hatten Sie gleich ein seltsames Gefühl, als aus „Wir sind das Volk“ plötzlich „Wir sind ein Volk“ wurde und viele die Währungsunion forderten?
Ja, weil das nicht meine Meinung war. Ich wollte die Staatsform der DDR beibehalten und mit unserer Demo am 4. November eine Reform erwirken. Das haben wir uns so erträumt. Man hatte die Illusion, dass es klappen könnte, sonst hätte man diese Forderung nicht gestellt. „Wir sind das Volk“ war eine klare Ansage des Volkes der DDR an die Regierung der DDR. Das war mit „ein“ Volk doch gar nicht gemeint, das kam erst durch den Westen. Man sagte, wenn wir schon so weit seien, könnten wir gleich eine Wiedervereinigung anstreben. Das war ein großes Bedürfnis der DDR-Bevölkerung, weil man auch die Westmark wollte und sich den Lebensstandard des Westens erträumt hat. Dass dann die Betriebe geschlossen wurden, konnte man nicht ahnen. Soweit ging der Traum nicht – oder in diesem Fall der Albtraum.
Was bedeutet Ihnen Geld?
An und für sich habe ich, glaube ich, eine ganz gesunde Auffassung. Ich möchte keine Geldberge stapeln. Es muss reichen, um zu wohnen, sich gut zu ernähren, den Kindern eine Ausbildung ermöglichen zu können, auch mal Urlaub zu machen und neue Anziehsachen zu kaufen, ohne dass man lange überlegen muss, ob man sich das noch leisten kann. Das möchte bitte für jeden Bürger rausspringen.
Konnte man in der DDR als Schauspieler:innen reich werden?
Reich wurde in der DDR niemand. Es sei denn, es wurden irgendwelche Geschäfte gemacht. Herr Schalck-Golodkowski hat sicherlich auf Reichtum hingearbeitet, er hatte auch andere Beziehungen. Das waren keine normalen Tätigkeiten. Man konnte vielleicht ein bisschen wohlhabend werden.
Spüren Sie es relativ schnell, ob jemand aus dem Osten oder dem Westen stammt?
Ja, eigentlich schon. Es gibt bestimmte Ansichten, bestimmte Bemerkungen, die nicht im Osten entstanden sein können. Ganz gleich, ob es nun den neuen Zeitläufen zuspricht oder der Qualität abspricht. Es kommt immer darauf an, wie dazu Stellung bezogen wird. A. Wesche
Zwei zu Eins,Tragikomödie, D 2024, FSK 6, Kinostart: 25. Juli